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Lance Reventlow und seine Scarab

Dieses eine Rennen

Die Geschichte von Scarab ist wild. Es ist einerseits die Geschichte des Mannes, der hinter Scarab stand, die aussergewöhnlich war. Graf Lawrence von Haugwitz-Hardenberg-Reventlow war das einzige Kind von Woolworth-Erbin Barbara Hutton und einem dänischen Grafen – und besser bekannt als Lance Reventlow. Geld hatte er ohne Ende, zu seinen besten Freunden gehörte etwa James Dean, Cary Grant war ein paar Jahre lang sein Stiefvater. Lance Reventlow war ein einigermassen begabter Rennfahrer, er fuhr 1960 bei GP von England sogar einmal ein Formel-1-Rennen. Er wollte aber mehr, besser, schneller, gründete deshalb sein eigenes Team: Scarab. Zum Namen gibt es verschiedene Deutungen. Klar, es geht um den Skarabäus, den heiligen Pillendreher – und Reventlow liebte den kleinen Mistkäfer der altägyptischen Kunst. Er sagte aber auch, es sei ein Protest gegen die typischen Macho-Bezeichnungen bei den amerikanischen Autos (wobei die Corvette ja weiblich war).

Reventlow kaufte sich unter anderem einen Maserati 200S, mit dem er Rennen fuhr. Diesen schauten sich Tom Barnes und Dick Troutman, zwei Rennwagen-Konstrukteure und spätere Hot-Rod-Legenden, genau an, bevor sie für Reventlow den ersten Scarab bauten. Das Fahrzeug hatte einen Stahlrohrrahmen, hinten eine damals bahnbrechende De-Dion-Achse, die Vorderräder waren einzeln aufgehängt – das Fahrverhalten soll für damalige Verhältnisse sensationell gewesen sein. Für Vortrieb sorgte ein 283-ci-Corvette-Motor, der von Traco Engineering («the Whiz Kids») auf fast 400 PS gebracht wurde, nachdem er zuerst auf 301 ci, dann sogar auf 339 ci (5,5 Liter) gebracht worden war. Das Design stammte vom damals gerade 18 Jahre alten Chuck Pelly, der am Art Center College of Design studierte – und stolze 200 Dollar für seinen Entwurf erhielt.

Und der Scarab lieferte. Chuck Daigh und Lance Reventlow trafen 1958 beim Riverside International Grand Prix auf Gegner wie Phil Hill im Werks-Ferrari 412 MI sowie Masten Gregory auf einem Ferrari 410 S, Dan Guerney in einem Ferrari 375 Plus, Roy Salvadori in einem Aston Martin DBR1, Bob Oker im Aston Martin DBR2, Carroll Shelby im Maserati 450S. Hey, es waren die ganz grossartigen Jahre im amerikanischen SCCA-Rennsport, das Rennen von 1958 in Riverside, gebaut vom grossartigen John Edgar, gehört zu den wahren Legenden im Rennsport. Der Circuit war 5,3 Kilometer lang, zwei ewig lange Geraden, ein sehr kurviges Infield, es war an jenem 12. Oktober 1958 35 Grad heiss.

Chuck Daigh, heute zu Unrecht unbekannt, holte auf seinem Scarab (#002) die Pole-Position, 2 Sekunden vor Phil Hill, 4 Sekunden vor Reventlow (Scarab #001). Im Rennen wollte Hill das Tempo von Daigh mitgehen, überforderte aber damit seinen Ferrari – und musste nach 55 Runden aufgeben. Auch Dan Guerney und Bill Krause (auf einem Jaguar D-Type) hatten keine Chance, blieben aber immerhin in der gleichen Runde – der amerikanische Rennsport hatte seine Sensation, nachdem die US-Hersteller mehr als zehn Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs den Europäern immer nur hinterher gefahren waren.

Reventlow hätte seine Scarab auch gerne nach Europa gebracht, Le Mans war zuerst sein grosses Ziel. Doch dann änderten die Reglemente wieder einmal, 3 Liter Hubraum waren das Maximum, da war Scarab mit seinem 5,5-Liter-V8 aussen vor. Man versuchte es mit einem kleinen Offenhauser-Motor, doch da war man chancenlos gegen die hochdrehenden italienischen V12. Wie auch immer: 1958 holte Scarab die SCCA-Meisterschaft, den wichtigsten Titel in den USA. Nur drei Exemplare der Scarab-Chevrolet wurden gebaut, ein Stück liess Lance Reventlow später für den Strassenverkehr homologieren. Anscheinend existieren alle drei Scarab-Chevrolet noch. Und es gibt Dutzende von Nachbauten.

1960 drängte es Lance Reventlow in die Formel 1. Aber der Scarab mit Frontmotor hatte keine Chance (mehr). Den wollen wir hier auch zeigen, denn Mecum versteigert in Monterey 2024 eines der drei gebauten Exemplare.

Doch auch wenn die F1 ein Fehler war, man darf nicht unterschätzen, wie wichtig der Scarab-Chevrolet für Amerika war. Denn er bereitete den Boden für die Cobra von Carroll Shelby und die wilden Konstruktionen von Jim Hall (Chaparral). Und so ganz nebenbei war er einer der schönsten Rennwagen aller Zeiten – entworfen von einem 18-jährigen. Lance Reventlow, der unter anderem mit der Schauspielerin Jill St. John verheiratet gewesen war, verstarb 1972 bei einem Flugzeugabsturz.

Es ist dies der Beginn einer kleinen Serie, in der wir auf der Suche nach den schönsten Rennwagen sein werden. Man darf uns auch Vorschläge machen. Inspirationen gibt es reichlich in unserem Archiv.

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