All you need is LOVE!
Autobahneinfahrt Kirchberg BE, A1, Richtung Zürich. Gut, ich kenn das Ding, ich fahre es seit 20 Jahren oft mehrmals pro Woche, weiss ziemlich genau, was da möglich ist, und wo die Grenzen sind. Meine Grenzen und die meines fahrbaren Untersatzes, in diesem Fall ein Autobianchi A112 Elegant von 1980. Ich bleibe immer innerhalb der Begrenzungslinien, man könnte die Ideallinie noch enger ziehen, doch auch so: Es ist hier quasi jeder chancenlos. Zwei Meter hinter mir, höchstens, und schon genervt, klebt der M4, weil er ist ja Held, das dumme kleine Ding vor ihm wird ihm nur im Weg stehen beim Herausbeschleunigen. Bloss: Nach der Biegung hat er über 100 Meter Rückstand. Klar, er hat nicht damit gerechnet, hätte es aber spätestens dann merken müssen, als ich die Kurve ganz anders anfuhr als er, viel später als er (leicht an-)bremste, sodass mein Gefährt in einer sehr sauberen Linie genau auf der Begrenzungslinie durch die zweite Hälfte der Kurve zog. Das alles hat er aber nicht mitgekriegt. Und ich kam dann auch noch vor den vier Lastwagen raus; er halt nicht, trotz etwa 460 Pferden mehr unter der Haube. Als er dann etwa zwei Kilometer weiter vorne endlich an mir vorbeirauschen konnte, war er total verärgert und weit jenseits aller Vorgaben, die in der Schweiz nun mal gelten. Leider stand der Blitzer nicht da, wo er so oft steht; es wäre ein Leasing-Depp weniger unterwegs gewesen für die nächsten paar Monate.
Klar, dieses David-gegen-Goliath-Gefühl. Ja, auch diese Verärgerung über die Geradeaus-Freaks. Doch das sind Nebenschauplätze. Es geht mir viel mehr darum, dass ich auch mit einem nur 48 PS starken, über 40jährigen Kleinwagen jede Menge Fahrspass haben kann. Vielleicht sogar mehr als mit einem modernen Supersportwagen, denn mit dem Autobianchi kann jede kurvige Landstrasse zur Herausforderung werden – und das in einem Geschwindigkeitsbereich, den unsere Freunde und Helfer noch für akzeptabel halten. Man fährt, so man will, ständig im Grenzbereich. Am Berg, hoch auf den Susten etwa, ist es ein stetiger Kampf, wildes Wechseln der Gänge, fast schon Arbeit, mit Zwischengas runterschalten, kein Servo in der Lenkung. Wäre ich selber 20 Kilo leichter, würde es das Leistungsgewicht spürbar verbessern. Klar, ich hätte dann auch gern mehr Power, wenn ich das niederländische Wohnwagengespann überholen muss, aber Geduld bringt Rosen – und mit der Bremse kann man kunstvoll umgehen. Bergab ist alles möglich, die Lenkung ist wunderbar schwergängig, aber deswegen auch präzis: Man setzt ihn auf den Scheitelpunkt, dann schaut man mal, was passiert. Meist nicht viel, er geht ein bisschen über die Vorderräder, wenn man zu schnell ist, aber zu schnell ist, wie geschrieben, sehr relativ. Damit wir uns richtig verstehen: 675 Kilo Leergewicht, so steht das im Ausweis. Da bleiben die Gesetze der Physik deutlich verständlicher als bei einem 2-Tonnen-Prunkprotzstahlbrocken.
Mehr noch: Alles ist so wunderbar analog. Ich kann nicht einmal mein Smartphone aufladen, es gibt kein riesiges Tablet über der Mittelkonsole – vor mir ist ein Tacho, Tankanzeige, Wassertemperatur, mehr nicht. Die Lüftung besteht aus zwei dünnen Hebeln, kalt oder warm, wobei das eigentlich nur bedeutet, dass es im Sommer sehr warm und im Winter manchmal saukalt ist. Nichts lenkt mich ab, wenn ich Autobianchi fahren will, dann mache ich genau das. Die Spur halte ich locker selber, dafür hat Autobianchi vor dem Fahrer verdankenswerterweise so ein grosses, rundes Ding eingebaut (die Strasse erscheint einem riesig, wenn man nur gerade 1,48 Meter breit ist), der Tempomat funktioniert wie der Abstandswarner über das Zusammenspiel von rechtem Fuss (Gas, Bremse) und den Augen; den Scheibenwischer bediene ich dann, wenn es regnet (und sonst nicht). Licht hat er als klassischer Italiener eh dauernd (geht dann aus, wenn man die Zündung ausschaltet), den Scheinwerfer schalte ich ein, wenn ich den Scheinwerfer brauche, bei Gegenverkehr schalte ich ihn jeweils aus, ESP war damals noch nicht, wäre bei den nicht wirklich brachialen Kräften auch unnötig, ABS gab es auch nicht, Airbags: null. Alles Sachen, die auch nicht kaputt gehen können. Nie. Das Fahrzeug spricht (und piepst) auch nicht, es kennt ausserdem den Weg nicht, hinten ist es da fertig, wo es fertig ist (vorne übrigens ebenfalls). Es warnt mich also nichts beim Parkieren, aber, hey, 3,23 Meter lang ist der A112, der passt schon. Überall.
Nur vier Gänge, der Schaltstock ganz nah am Stuhl, der Rückwärtsgang weit, weit rechts aussen. Wenn ich den Wonneproppen treibe, dann nimmt er auch mal sieben Liter, meist ist er mit fünf zufrieden. Am Morgen muss ich noch den Choke ziehen, nicht ganz raus, das mag er nicht, doch dafür entwickelt man mit der Zeit ein Gefühl. Auch dafür, wann es ihm genug ist. Aber ich höre dem Italiener halt zu, ich höre jedes Geräusch, das anders ist, ich bin dauernd voll und ganz da, alert, wachsam, achtsam – was auch ein wichtiger Teil der Freude am Fahren ist. Ich habe die Wassertemperatur stets im Aug, Stadtverkehr mag er nicht so. Ich auch nicht, also sparen wir uns das. Mein Problem ist mehr so: Ich fahre dauernd Umwege. Zweimal durch den Kreisel, mit quietschenden Reifen. Zum Einkaufen noch einmal über den Berg. Vor allem aber: Ich lächle nur schon dann, wenn ich ihn vor der Türe sehe. Das passiert mir bei Neuwagen nur noch selten.
Und überhaupt – man darf dieses kleine, so hübsche, so einfache Automobil nicht unterschätzen. Der Autobianchi A112 ist ein Meilenstein, nämlich. Ich hole etwas Anlauf, schaue zurück ins Jahr 1885, als Edoardo Bianchi in Mailand mit der Herstellung von Fahrrädern begann. Damit wurde er schnell bekannt, auch, weil seine Fahrräder von guter Qualität waren und er sie ständig weiterentwickelte, vor allem aber, weil er sie in einem schönen Hellblau lackierte (Celeste hiess die Farbe). 1897 baute Bianchi sein erstes Fahrrad mit Hilfsmotor, schon 1900 sein erstes Automobil, bald darauf das erste Motorrad. 1914 betrug die Jahresproduktion von Bianchi 45’000 Fahrräder, 1500 Motorräder und stolze 1000 Automobile. Nach dem 1. Weltkrieg ging es fröhlich weiter. Die Radlegende Fausto Coppi machte die hellblauen Fahrräder noch berühmter, auch die Automobile waren mit Achtzylindermotoren in der Oberklasse angekommen. Zwar wurde das Werk im 2. Weltkrieg dann zerstört, doch Bianchi gehörte zu den ersten Herstellern, die schon 1946 wieder in die Produktion einstiegen. Doch dann verunglückte der Firmengründer noch im gleichen Jahr bei einem Autounfall. Und danach war nichts mehr wie vorher. Um die Autoproduktion wieder aufnehmen zu können, ging Bianchi 1955 eine Kooperation mit Fiat und Pirelli ein, es entstand Autobianchi. Ab 1958 gab es die Bianchina, ab 1964 die grossartige und so sehr unterschätzte Primula (von Dante Giacosa konstruiert), aber 1967 übernahm Fiat die Aktienmehrheit und die Führung. Die Idee war, dass bei Autobianchi Neuerungen wie der Frontantrieb, die quer eingebauten Motoren und auch die Heckklappe zuerst einmal im Markt ausprobiert werden konnten, bevor sie in die grossen Serien bei Fiat einflossen. So wurde der Autobianchi A111 zum Vorläufer des Fiat 128 – und, noch viel wichtiger, der A112 zur Mutter des Fiat 127. 17 Jahre lang wurde der A112 gebaut. Er war selbstverständlich das erfolgreichste Modell der Marke – und in seiner Konstruktion ähnlich wegweisend für alle weiteren Kleinwagen wie der Mini. Auch dafür muss man ihn lieben.
Es ist dies eine Story aus der Print-Ausgabe von radical, das Inhaltsverzeichnis gibt es hier. Wir bedanken uns bei der Oldtimer Galerie Toffen.
eine Freundin hatte den in Knallorange mit Faltdach und sie hat ihn mir geliehen, als kurz vor einem Termin in Frankfurt mein damaliges Auto streikte. Selten bin ich mit so einem Spaß 400 km gefahren, trotz oder gerade weil der Floh bei hoher Geschwindigkeit in den Wellen der Autobahn verschwand und wieder auftauchte, als sei er ein Achterbahnwaggon.
Wunderschöner kleiner Kerl!
Mit einem erbärmlichen Armaturenbrett, wie es damals halt so war.
Gönnen Sie ihm doch wenigstens ein Nardi Lederlenkrad.
Eine Bekannte schwärmt immer noch oft von ihrem „Autobiantschi“ (so wie meine Mutter und meine Tante von ihren „Karmann Dschia“ schwärmten).
Heute Abend koche ich Spadschetti. Ach nein, heisst ja Schbagetti.
(Kurz nachdem ich von München nach Hamburg umzog, standen vor mir an einem Stand mit Mittagstisch zwei weitere Kunden. Der erste nahm die „Gnoschi“, der zweite sagte „ich nehm auch die Gnoschi“. Da wusste ich endgültig, dass ich mich weitere 800 km von Italien entfernt hatte …..).
Glückwunsch Herr Ruch, und wenn man halt Autofahren kann reicht auch so ein vermeintlicher „Zwerg“! Der Sohn unseres Nachbarn hatte so einen, ich glaube als Abarth mit irgenwie 70PS??? Schwarz war er und sauschnell. Und der „Bub“ mit 1,95m Körperläge und 100kg „Kampfgewicht“ in dem Auto – ein Bild für Götter und immer flott unterwegs!
Mein erstes Auto.., war immer gut für eine Abkürzung, z.B. an der Autoprüfung. Fahrlehrer wollte noch nicht, ich mit A112 im Strassenverkehrsamt. Experte rund um den A112, „der hat schon Bremsen…????“, hatte er, der Experte hat mit dem Kopf die Frontscheibe geküsst….. Der 2. Anlauf mit Fahrlerer‘s BMW ging dann glatt. Am gleichen Tag noch zu 4 im A112 ab nach Paris! Sigi, ein 2m-Kerl mit über 100kg hat bei jeder Bodenwelle den Dachhimmel geküsst… Was für herrliche Erlebnisse mir der A112 geschenkt hat….
Größenwahn!
Die durchschnittlichen Menschen, die ich täglich sehe, sind
so 160 bis 176 cm hoch. Meist dicklich ( und nicht die hellsten, wenn
man ihren Fahrstil erlebt, aber lassen wir das… seit den US Wahlen
ist das neue dumm das alte debil) und natürlich im gequollenen 2 Tonnen
Derivat des Grauens ( SUV). Das ganze in den Städten.
Die Autowirtschaft, die sich verschätzt hat, fährt mit ihrem dicken Angebot
( hässlich und teuer ist ein doppeltes Nogo) gerade in den Keller oder Insolvenz.
Man kam nicht auf die Idee das leichteste und kompakt cool gezeichnete Mobil,
mit diesen 30 kw 45 ps 700 Kilo leicht oder weniger zu bauen.
Und der Preis stimmt. Doppelt, weil der die knackige Europäerin Kreise um den belanglosen Import fährt. ( ab 11900 Euro)
Inzwischen überrollen 1000 und 100000 Typen Made in China den Markt.
Erstes Ziel: die Konkurrenz erwürgen.
Wirtschaft, Lobys und Politiker derweilen im Scheintotmodus.
Und Kunden, die jetzt nicht bereit sind ihr Geld zum Fenster raus zu werfen.
Für das derzeitige Angebot. Da ist fast nichts dabei.
V iele W urschteln weiter.. einige haben es kapiert.
Was da alles gehen würde würde man nur wollen. Na ja.
Guter Bericht- ich hatte einen, 5 Monate in Rom. Das war ein bunter Hund. 1986…
Lg LOIC