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Zu Besuch bei Canepa

Bruce Almighty

Sie pinselt sich tatsächlich die Fingernägel, die Empfangsdame am Eingang zum Imperium von Bruce Canepa. Die Dame, teuer coiffiert, sanft überschminkt, blickt nur kurz auf, widmet sich dann wieder ihren Nägeln; sie hat wohl auf den ersten Blick erkannt, dass dieser Besucher nicht ein paar Millionen Dollar ausgeben will, keiner der Stammkunden ist. Bis sie sich bequemt, das Anliegen des europäischen Journalisten, der immerhin einen Termin beim Chef hat, eine Etage höher zu leiten, vergehen noch ein paar Minuten, aber immerhin scheint sie nun zufrieden mit ihren Malerarbeiten, Frau muss ja auch Prioritäten setzen. Und die guten Kunden werden auch kaum durch den relativ bescheidenen Haupteingang kommen, es gibt gut abgeschirmte Parkplätze seitlich des Industriebau im Scotts Valley, von dort kann die Prominenz dann unerkannt zu Bruce, dem Allmächtigen, begleitet werden. Heute ist anscheinend so ein Tag mit hohem Besuch, Herr Canepa ist trotz Verabredung gerade unabkömmlich.

Der Vater von Bruce Canepa war Auto- und Lastwagen-Händler. So kam Canepa, geboren am 28. Mai 1950, schon früh in Berührung mit allem, was sich auf zwei, vier oder mehr Rädern bewegte. Mit 10 konnte er fahren, mit 13 kaufte er sein erstes eigenes Auto, einen Ford Model A von 1929, mit 16 bestritt er sein erstes NASCAR-Rennen. Er wurde «Rookie of the Year» und später «Most Improved Driver», 1979 wurde er mit seinem privaten Porsche 934 Dritter bei den 24 Stunden von Daytona (und erhielt von Porsche für die folgende Saison einen Werks-935), 1981 wurde bei seinem ersten Auftritt beim Bergrennen auf den Pikes Peak Zweiter. Dort, an diesem legendären Berg, fuhr er mit über 50 drei Jahre hintereinander die schnellste Zeit mit einem dreiachsigen Lastwagen.

Als braver Sohn arbeitete Bruce Canepa zuerst im Betrieb seines Vaters, wusch Autos, lernte Spengler, konnte Motoren revidieren, verkaufte Lincoln und Mercury. Mit 30 hatte er genug, er machte sich selbständig, begann ganz klein, entwickelte Teile für Lastwagen, restaurierte mit Kollegen im Hinterhof alte Autos, begann mit europäischen Exoten zu handeln, Lamborghini, Maserati, einige wenige Ferrari, Lotus. Und anscheinend machte Bruce Canepa ein paar Dinge richtig, Canepa Design gehörte bald zu den Hot-Spots in den USA für Fahrzeug- und Teileentwicklung, Concept Transporters ist heute eines der wichtigsten Transport-Unternehmen im Land – und Canepa Motorcars der wahrscheinlich grösste Sportwagen- und Klassiker-Händler an der amerikanischen Westküste. Weit gekommen ist Canepa dabei allerdings nicht, er ist in den Bergen hinter Santa Cruz aufgewachsen, dort lebt und arbeitet er noch immer.

Sein Erfolgsrezept ist relativ einfach, wie er dann später doch noch erzählt: «Ich kaufe und verkaufe nur Automobile, die mir selber Spass machen, von denen ich überzeugt bin». Er hat gerade die amerikanische Vertretung für Gordon Murray Automotive übernommen, «der T.50 ist der beste Hypercar überhaupt», bei unserem Besuch wird ein Kalmar 9×9 angeliefert, «sehr schön gemacht», wie Canepa sagt. Von Porsche versteht der Amerikaner etwas, nicht nur, weil er seine grössten Erfolge auf der Rennstrecke mit Automobilen aus Stuttgart erzielt hat. Eine ganz besondere Beziehung hat er zum 959.

Sie hatten es schwer in den USA, diese Über-Porsche – sie erhielten keine Zulassung. Doch Bruce Canepa brachte trotzdem ein Exemplar nach Amerika, 1987. Microsoft-Mitgründer Paul Allen verliebte sich sofort, kaufte das Fahrzeug; kurz darauf wollte auch Bill Gates einen haben. Bloss, die 959 durften trotz dieser prominenten Besitzer weiterhin nicht auf den amerikanischen Strassen gefahren werden. Dann fand Canepa eine Gesetzeslücke, die so genannte «Show or Display»-Ausnahme, die ab 1999 dann nicht nur für den Porsche 959 galt, sondern auch für noch manch anderen europäischen Supersportwagen. Der 959 musste aber trotzdem die lokalen Abgas-Emissionen erfüllen, als modernisierte Canepa den Porsche mit dem «Gen 1»-Upgrade, was im Nebeneffekt zu einer Leistungssteigerung auf 580 PS führte. Es folgten auch noch Gen 2 und Gen 3 – und dann, 2015, die 959 SC. Damit erfand Canepa den Porsche 959 quasi neu. Das Fahrwerk wurde komplett erneuert, der Motor mit einem Parallel-Twin-Turbo-System von Borg Warner auf 825 PS gebracht. In jeden 959 SC wurden (und werden) rund 4000 Arbeitsstunden investiert und etwa 3000 Teile umgebaut. Aussen und innen ist so ziemlich alles möglich, was der Kunde wünscht, Canepa liebt kräftige Farben. Die Serie der Viel-besser-als-neu-959 hat Canepa auf 50 Stück limitiert, selbstverständlich sind längst alle verkauft, auf dem Gebrauchtwagen-Markt werden absurde Zuschläge für diese «Restomod» bezahlt.

Bruce wird ans Telefon gerufen, der Besucher darf unterdessen durch die Gebrauchtwagen-Ausstellung streifen. Porsche 918 Spyder, echte Cobras, BMW M1, Singer-Porsche, mehrere Porsche 911 Carrera RS 2.7 («eines meiner liebsten Fahrzeuge», sagt Canepa), originale Ford Bronco, die Augen beginnen zu tränen. Die Preise sind hoch, aber nicht unverschämt. Weil Bruce noch etwas länger telefoniert, geht es auch noch in den ersten Stock, das persönliche Museum des Meisters, das ist dann ziemlich irr, Porsche 917 (#015), Porsche 962C, sonst noch reichlich sehr rare Porsche, aber auch ein Fiat-Abarth 1000 Corsa – und ganz viele amerikanische Legenden, der Ford Torino von Richard Petty zum Beispiel. Wahnsinn.

Es gibt dann Kaffee und Small-Talk, das kann der 74-Jährige bestens, er redet doch viel und sagt dabei wenig, er ist im Gegensatz zu manch anderem amerikanischen Klassiker-Händler optimistisch, was den Markt betrifft, empfiehlt Rennwagen mit spannender Geschichte zum Kauf. «Und Porsche, Porsche ist immer ein gutes Investment». Was ist sein aktueller Liebling? «Ich lass mir gerade einen Lamborghini Countach von Grund auf neu aufbauen, grossartiges Fahrzeug». Und dann erfolgt der Ritterschlag: Der Besucher darf mit in die Werkstatt, wo 70 Mitarbeiter an wunderbaren Preziosen arbeiten. «Bitte keine Nummernschilder und Namen photographieren», das ist seine Bedingung. Dem Betrachter bleibt der Mund offen stehen, Gruppe C von Mercedes und Porsche, ein echter Baja-Bronco, eine ganze Reihe der Canepa-959-SC, ein Ferrari 250 GT Spider California, der Kurze, diverse Bugatti EB110 («weiterhin unterschätzt», sagt Canepa), reichlich Porsche-Rennwagen aus diversen Dekaden – es könnte das gesamte Starterfeld des Goodwood Festival of Speed sein. Und etwas weiter hinten befindet sich noch das Lager, «ja, wir sind ausgelastet, wir haben gar keine Zeit für all diese Projekte». Sagt’s – und verschwindet in die nächste Sitzung.

Mehr schöne Geschichten haben wir in unserem Archiv.

1 kommentar

  1. bernti bernti

    SO schaut also das Paradies aus !

    Schöner Bericht-Weihnachtsstimmung.. LG 🙂 – bernti

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