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Lamborghini Miura P400 – #3072

Und noch ein Doppelter…

43/272) Chassis-Nummer: 3072

Motoren-Nummer: 1220

Auslieferungsdatum: 18.07.1967/27.12.1968

Auslieferung an: Jaeckel Lugano

Original-Farbe: Rosso

Interieur: nero/Skay nero

erster Besitzer: Andreas Jaeckel/Grace Bumbry

weitere Besitzer: (befindet sich anscheinend als 272) 3072 in Belgien, Kennzeichen 1OCZ111, dunkelblau)

Auktionen: –

Besonderes: es soll sich hierbei um das Fahrzeug handeln, das am 15.11.1967 in der Zeitschrift «hobby» von Willy Lanek wie folgt beschrieben wurde: «Wir sind ganz gewiss keine Geschwindigkeitsfanatiker, aber ab und an macht es doch einmal Spass, 200 km/h mit dem Mercedes 600 oder dem Glas BMW 3000 V8 zu fahren, auch mal 220 km/h mit dem Porsche 911 S oder Maserati Quattroporte. Ein Auto dagegen, das selbst den Porsche 911 S einfach stehen lässt, das hatten wir doch noch nicht in den Fingern!Unser Schweizer Kollege Willi Lanek aus Lugano machte es möglich, den Strassen-Jet aus Privatbesitz für einen hobby-Test auszuleihen. Das war gar nicht so einfach, denn dieses ‚Wunderauto‘ ist nur in den ‚Ställen‘ der ganz hohen Prominenz zu finden: Es ist ein Wagen der Könige und Stars, sogar ein Kaiser ist darunter, der Schah von Persien! Neben vielen klangvollen Namen aus Politik, Sport und Showbusiness zum Beispiel Robert Kennedy, Gracia Patricia von Monaco etc. An diese Prominenz war natürlich schlecht heranzukommen. Aber Lanek gab nicht auf. Und es gelang ihm, den brandneuen Lamborghini der weltberühmten Opernsängerin Grace Bumbry zu bekommen.
Ferrucio Lamborghini scheint nicht nur eine Schwäche für den Bau von Super-Autos, sondern auch für Kampfstiere zu haben: ‚Miura‘ heisst der Zwölf-Zylinder-Vierliter mit 350 PS, ‚Marzal‘ der motorisch genau halb so grosse Sechszylinder-Zweiliter mit 175 PS. Der Bologneser Traktorenbauer ist es also, der die ’schnellsten Traktoren der Welt‘ baut, die bei Kaisern, Königen und Fürsten in höchster Gunst stehen, wie es die Kundenliste ausweist.Der Star unter den Lamborghinis ist der Miura, ein technisch hervorragendes Auto mit einem vor der Hinterachse installierten Zwölfzylinder, dem Meister Bertone einen echten ‚Kampfanzug‘ geschneidert hat. Der Miura ist ein Auto zum Fahren und weniger zum Reisen, es sei denn, man befördert das Gepäck gesondert mit Luftfracht. Decken wir Bertones Kampfanzug ab und das vornehmeCockpit zu, so meint man, einen Formel-Rennwagen vor sich zu haben. Hinter den Rückenlehnen sind zwölf Vergaser wie Konservendosen nebeneinander aufgereiht (es sind vier Weber-Dreifachvergaser), jedenfalls wirken die Lufttrichter so. Der Motor liegt quer vor der Hinterachse, Getriebe und Differential sind angeflanscht,und für Triebwerk und Kraftübertragung gibt es eine einzige gemeinsame Schmierung.
Eingebettet liegt das alles in einem äusserst soliden Kastenrahmen, der die hochgestellten Passagiere wie einen Schutzwall einschliesst.Vor dem Armaturenbrett liegen das monströse Reserverad (Pirelli-Cinturato 210 HS 15!), die Batterie und der Wasserkühler mit zwei thermostatisch geregelten Elektroventilatoren. Gepäck kann man in einer 140 Liter fassenden Box zwischenMotor und H eckwand unterbringen: Das ist wenig fürs Geld! Der Eindruck eines Panzerspähwagens täuscht freilich, denn der komplette Miura bringt ganze 980 kg auf die Waage,und das sind 2,8 kg pro PS an Leistungsgewicht. Die schraubengefederten Räder sind einzeln aufgehängt und mit Dreieckslenkern am Rahmen angelenkt. Scheibenbremsen vorn und hinten im Zweikreissystem und Zahnstangenlenkung mit abgeknickter Lenksäule sorgen für Sicherheit, wie auch die Konzeption einer halb-selbsttragenden Karosserie,deren Mittelteil durch eine ‚Kastenrahmen-Bodenanlage‘ besonders verstärkt ist. Das Motordrehmoment wird durch ein Fünfganggetriebe gewandelt. Von drei möglichen Hinterachsuntersetzungen kann man sich die passende aussuchen, die schnellste Version bringt eine Spitze von 296km/h. Die 350 DIN-PS werden bei 7000 U/min abgege-ben, das maximale Drehmoment von 37,6 mkg bei 5100U/min. Der Kurzhub-Motor ist drehzahlfest, je zwei obenliegende Nockenwellen in den beiden in V von 60° zueinander liegenden Sechszylindern sorgen zusammen mit der siebenfach gelagerten Kurbelwelle dafür. Nasse Zylinderlaufbüchsen und weitere Details demonstrieren,dass es sich hier um ein Prachtstück von Motor handelt.
Zum Freundeskreis des Ehepaares Jaeckel-Bumbry zählend, durfte ich nicht nur das Eintreffen des Miura in Lugano erleben und die Jungfernfahrt starten, sondern auch mit Grace Bumbry gemeinsam das Auto auf der Piste von Monza mit ‚vollen Touren‘ laufen lassen. Obwohl ich schon so manchen Ferrari und Maserati gefahren hatte, muss ich sagen, dass hier das heisseste Auto unter meine Finger gekommen ist.
Nun war Grace an der Reihe: Obwohl ich sie als sichere und schneidige Fahrerin mit sportlichen Ambitionen kenne, zweifelte ich doch ein wenig, ob sie mit diesem Jet zurechtkommen würde. Doch sie fuhr so sicher wie Fangio, dass es nur so die Blätter von den Bäumen sog. Indessen: Abgesehen von seinem atemberaubenden Beschleunigungsvermögen und seiner hohen Spitzengeschwindigkeit ist der Miura ein gutmütiges Auto mit hervorragend sicheren Fahreigenschaften, für die allein schon der vor der Hinterachse eingebaute Motor spricht. Das Kurvenverhalten ist neutral, und die Bremsen sind hervorragend, wie es sich wenig später herausstellen sollte.
Auf der Autobahn Mailand-Turin war ich mit dem hobby-Testteam dabei, den Miura durchzumessen. Beim Tachovergleich 200 km/h heulte ein Mehrklanghorn hinter uns auf, und ein sehr bekannter und schneller Sportwagen rauschte vorbei. Beim Hörnerklang sträubten sich die Hörner des Kampfstieres Miura, ich rief: „Uhren weg, festhalten!“ und war bereits im Windschatten des Superschnellen. Der hatte sein Gaspedal in den Boden gerammt, wie wir an dem leichten Ölschleier auf unserer Windschutzscheibe feststellen konnten. Aber es reichte nicht, denn wie der Blitz waren wir an ihm vorbei. Kunststück,wenn der Wagen mit der schnellen Achse etwa 300 km/h schnell ist!
Doch die Strafe folgte auf dem Fusse, als plötzlich die Überholspur besetzt war. Aus der Reisegeschwindigkeit eines mittleren Sportflugzeugs musste ich auf 100 km/h verzögern, und dabei verhielt sich der Miura grossartig, denn er zeigte, dass seine Bremsen optimal den Mammutkräften angepasst sind. Er hielt bei dieser Notbremsung phantastisch die Spur! Man kann sich auf dieses Auto verlassen, was Bodenhaftung und Kurvenfestigkeit betrifft, lediglich bei Nässe ist es etwas schwierig, die Bärenkräfte auf die Strasse zu bringen. Doch ist hier der Miura im Konzert der Superschnellen mehr die Regel als eine Ausnahme.
Einen Miura beschleunigt man nicht… man schiesst ihn ab: Mein Test-Kollege wusste das nicht beim ersten Versuch, und der Rückstoss renkte ihm buchstäblich einen Wirbel aus der Wirbelsäule aus. Von O bis 100 km/h in 5,0 Sekunden, das ist, weiss Gott, wie aus der Kanone geschossen!
Der Fahrer sitzt in diesem Auto wie ein König: Hervorragende Lenkung, ideale Position des kurzen Schalthebels, vorbildliche Übersicht über die Armaturen und richtig liegende und zudem auch angenehm grosse Pedale.
Freilich gibt es doch einiges, was zur Kritik herausfordert: So etwa die Tatsache, dass bei einem so teuren Auto die Sitzbespannungen nicht aus echtem Leder sind, sondern aus Kunststoffolien bestehen. Zwar erklärte man uns bei Bertone, Kunststoff sei dauerhafter, aber so recht nehme ich das den Leuten nicht ab. Noch schlimmer aber sind bei der Mittelkonsole trotz Abpolsterung die scharfen Kanten. Den Mini-Kofferraum habe ich schon erwähnt, aber bei einem solchen Auto bleibt eben kein Platz für derlei Ansprüche. Dafür ist der Benzintank mit 106 Litern Inhalt beruhigend gross und ausreichend für einen Reiseverbrauch von rund 20 Litern pro 100 Kilometer. Wenn man alle Pferdchen iaufen lässt, können es allerdings auch zehn Liter mehr sein.
Abschliessend noch ein Wort zum Preis des Miura; In der Schweiz kostet er in Normalausführung 67000 sfr. Das ist eine Menge Geld! Doch schliesslich bekommt man mit dem Miura für sein gutes Geld ein gutes Auto – sofern man sich überhaupt so ein Auto leisten kann, das im Höchstfälle als Zweitwagen eingestuft werden kann. Ich möchte ihn in dieser Beziehung noch eher als Drittwagen bezeichnen, denn i m Stadtverkehr muss man schon gute Nerven haben, um im Zentimeter-Verkehr oder beim Parken nicht zu explodieren. Der Miura ist ein Auto für echte Sportfahrer oder für Leute, die es sich leisten können, viel Geld auszugeben, um als solche zu gelten.»

Danach geschah etwas mit diesem Fahrzeug, denn es gibt noch einen zweiten Miura mit der genau gleichen Chassisnummer und der genau gleichen Motoren-Nummer und den gleichen Erst-Besitzern, Produktionsnummer 272. Der heute allerdings dunkelblau ist und in Belgien sein soll.

Noch ein hübsche Anekdote, so sie denn wahr ist: Bumbry soll den Miura direkt neben dem Ferrari von Herbert von Karajan parkiert haben vor dem Salzburger Festspielhaus. Der Dirigent war beeindruckt, er soll gesagt haben, dass der Sound des Miura Musik in seinen Ohren sei. Kurz darauf soll Karajan, der sich gerade einen Ford GT40 als Geburtstagsgeschenk geleistet hatte, Bumbry zu einem Rennen durch die Salzburger Altstadt herausgefordert haben – und verlor klar. Der Dirigent kaufte sich darauf sofort einen – Porsche.

Alle, wirklich alle Miura gibt es: hier.

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