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Reyonnah

Es geht um die Idee

Dass Gebäudebauvorschriften die Konstruktion von Fahrzeugen beeinflussten, das dürfte in der langen Automobil-Geschichte doch ziemlich selten geschehen sein. Doch es gibt mindestens ein Beispiel – ein so richtig eigenartiges, wunderbar schräges Automobil. Das auch nicht zu einem durchschlagenden Erfolg wurde, gerade einmal 16 Stück wurden gebaut.

Aber der Reihe nach. In Paris gab es anscheinend einst genaue Vorschriften nicht nur darüber, wie breit ein Hauseingang sein musste. Sondern auch darüber, wie breit die Fahrräder, Motorräder und sonstigen Fahrzeuge sein durften, damit sie noch in diesen Pariser Hauseingängen parkiert werden dürfen. Sagen wir mal: 75 Zentimeter, maximal (wir wissen es nicht so genau, aber es hat einen Grund, weshalb wir das behaupten). Es begab sich also in der französischen Hauptstadt, dass ein Monsieur Raymond Hannoyer, der ebendort eine Garage betrieb und, so macht es den Anschein, gerne ein wenig rumbastelte, sich darüber Gedanken machte, wie er denn ein Automobil in diese Pariser Hauseingänge bringen könnte. Die einfachste Lösung: mit Anlauf, die schien ihn nicht zu begeistern.

Es heisst, dass Monsieur Hannoyer schon 1947 auf die Lösung stiess. Und auch einen Prototypen baute. Doch erst 1950, auf dem Salon von Paris, stellte er seine Konstruktion erstmals einem breiten Publikum vor. Das Fahrzeug, das keine eigene Garage brauchte und auch nicht unter den Laternen parkiert werden musste, nannte er Reyonnah (lesen Sie Hannoyer mal rückwärts…). Das Design war sicher inspiriert von den damals gerade in Mode gekommenen Kabinenrollern, etwas dem Messerschmitt. Wobei der Reyonnah anfangs keine Kabine besass, zumindest im ersten Jahr nicht, sondern ein Zelt. Das sich aber nicht nach hinten ab- oder zusammenklappen liess, sondern seitlich als Ganzes weggeklappt wurde. Später gab es auch eine Blechkuppel mit zwei Seitenfenstern und einem Glasdachdeckel sowie schliesslich auch noch ein Plexiglas-Kuppeldach – nicht schlecht, diese Vielfalt, für gerade einmal 16 gebaute Fahrzeuge… . Die zwei Passagiere sassen hintereinander, gelenkt wurde über ein vollwertiges, sogar riesiges Lenkrad – das absolut horizontal stand. Auch die zwei Instrumente lagen komplett flach, keine Ahnung, wie man da etwa sehen wollte.

Doch jetzt der Clou: das Auto mass 2,9 Meter in der Länge, 1,32 Meter in der Breite und 1,82 Meter in der Höhe. Das bedarf nun einer Erklärung. Wenn man den Reyonnah fuhr, dann war er 1,32 Meter breit. Abends, wenn man ihn dann in den Pariser Hauseingang schob, dann liess er sich zusammenklappen, auf 0,75 Meter Breite (na?) – und wurde damit dann 1,82 Meter hoch. Das Prinzip des Zusammenklappens der Vorderachse war denkbar einfach, es befanden sich links und rechts je ein paar Gelenke. Praktisch war anders – aber es funktionierte. 200 Kilo wog das Ding, das liess sich problemlos schieben.

Der Reyonnah rollte auf Rädern der Grösse 4 x 15″. Eines davon, nämlich jenes hinten rechts, war speziell: es wurde nämlich angetrieben. Ja, nur jenes Rad hinten rechts. Motoren gab es verschiedene, Monsieur Hannoyer konnte sich da anscheinend nicht so recht entscheiden. Zuerst gab es einen 125-Kubik-Einzylinder von AMC (8 PS), später dann einen Ydral-Motor mit 175, 200 oder 250 Kubik; die Leistung lag zwischen bei 8, 10 bzw. 11 PS. Der Verbrauch wurde mit 3,5 Liter/100 km angegeben, für alle Varianten, die Höchstgeschwindigkeit mit 80 km/h, ebenfalls für alle Versionen. Dass diese Vmax nicht ins Reich der Märchen gehörte, bewies Monsieur Hannoyer 1952 auf der Rennstrecke von Montlhéry gleich selber: mit einem 175-ccm-Reyonnah schaffte er über 100 km/h als Spitze, und er legte eine Strecke von 50 Kilometern mit einem Schnitt von 96,67 km/h zurück.

Der Reyonnah aus der Bruce-Weiner-Sammlung wurde 2013 bei RM Sotheby’s für sagenhafte 184’000 Dollar zugeschlagen. Mehr dieser wunderbaren Microcars gibt es: hier.

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