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radical zero: Fahrbericht BMW i7

Oberkanteoberlippe

(Für alle, die nicht an E-Automobilen interessiert sind: Zukünftig werden wir alle Artikel, in denen es um die Stromer geht, vorne mit «radical zero» bezeichnen. Dann kann man das auslassen, bei entsprechendem Desinteresse. «radical zero» wird in Zukunft aber nicht unwesentlich werden auf unserer Seite, wir werden da in die Tiefe gehen. Wie immer nicht unkritisch, aber halt gleichzeitig sehr technologieoffen. Und ja, wir sind der Überzeugung, dass wir uns da ziemlich viel Erfahrung und Kompetenz angeeignet haben.)

Man muss ja nicht. Es ist niemand gezwungen, den BMW i7 schön zu finden. Oder sinnvoll. Oder irgendwas. Er ist, was er ist – und weil er als 7er von BMW Oberkanteoberlippe unter den Luxus-Limousinen ist, ist er das auch als reiner Stromer. Er hat alles, er kann alles – und nach einem ersten ausführlichen Fahreindruck bleibt uns nur das Staunen. Eben, ein 7er, aber noch komfortabler, noch leiser, irgendwie noch souveräner.

Zuerst ein paar Zahlen. Ohja, der BMW i7 ist ein mächtiges Trumm, über 2,7 Tonnen schwer (550 Kilo schwerer als ein Basis-735i), 5,39 Meter lang, 1,95 Meter breit, 1,54 Meter hoch. Der Radstand beläuft sich auf 3,22 Meter, ja, da ist mehr als nur reichlich Platz auch für die hinteren Passagiere (dazu kommen wir noch); 500 Liter Kofferraum sind da auch noch. Als Antrieb dienen zwei Elektromotoren, je einer an jeder Achse, die Kraft wird über ein Eingang-Getriebe an alle vier Räder geschickt. Und es ist reichlich Kraft: 544 PS (400 kW), 745 Nm maximales Drehmoment. Von 0 auf 100 km/h rennt der i7 in 4,7 Sekunden, gegen oben ist bei 240 km/h Schluss. Dies gilt für den derzeit erhältlichen i7 xDrive60, es wird dann noch ein M70 kommen, der dürfte dann deutlich über 600 PS und mehr als 1000 Nm maximales Drehmoment erhalten.

Betrachtet man die elektrischen Einrichtungen etwas genauer, dann mag etwas Enttäuschung aufkommen. Klar, eine 101,7 kWh grosse Batterie ist schon mal eine Ansage, die sorgt per se für eine gute Reichweite, nach WLTP sollen es rund 600 Kilometer sein. Der i7 verfügt aber nicht über ein 800-V-Bordsystem, lädt bei Gleichstrom auch nur mit maximal 195 kW (bei Wechselstrom immerhin mit 22 kW). da geht BMW bei seinem Flaggschiff wie auch bei seinen anderen Stromern noch nicht den letzten Schritt, da sind Porsche, Hyundai/Kia und auch Maserati schon deutlich weiter. Der direkteste Konkurrent des i7, der EQS von Mercedes, aber auch nicht. Aber der ist ja auch ein Stück Seife.

Da ist der BMW i7 dann schon deutlich konservativer gestaltet, da gehen die Bayern den Weg des geringsten Widerstandes, bis auf ein paar E-Insignien bleibt alles gleich wie bei den anderen 7ern. Die Münchner lassen sich da alle Optionen offen, der iX ist schon optisch klar als Elektroauto erkennbar, der i7 versteckt seine Antriebstechnik dagegen sehr gut. Nach dem doch einigermassen überschaubaren Erfolg des i3 wollen die Bayern nicht mehr alles auf eine Karte setzen, lassen der Kundschaft die Wahl. Beim i7 hat das aber nicht den Nachteil, dass die einige Vorteile des reinen E-Antriebs, etwa mehr Raum, nicht genutzt werden können. Denn Platz ist, wir haben es schon erwähnt, mehr als genug vorhanden.

So viel, dass die hinteren Passagiere sogar eine Kino-Leinwand erhalten. Auf Knopfdruck senkt sich ein riesiger Bildschirm aus dem Dachhimmel, manch einer hat sowas in dieser Grösse nicht einmal daheim in der guten Stube. Während bei EQS alles auf den Hypersuperscreen vorne konzentriert ist, kann der BMW dafür hinten punkten. Ansonsten sind das Interieur und das Cockpit im7 doch eher konventionell gestaltet – was aber manch ein Betrachter und manch eine Nutzerin vielleicht sogar als Vorteil betrachten. Die optische Spreizung zwischen i7 und iX ist auf jeden Fall vorhanden, aussen wie innen. Wie auch immer: die Bedienung des i7 gibt den geübten BMW-Piloten keinerlei Rätsel auf, es ist alles wie gehabt. Also ergonomisch und haptisch auf höchstem Niveau, ausgezeichnete Sitze, die wirklich feinen Langstreckenkomfort bieten.

Dazu noch dies: Wir fuhren ein Exemplar des i7 xDrive60 mit Sitzbezügen aus einer Mischung von Cashmere und Wolle. Kein Leder weit und breit, auch kein künstliches, sondern reine, edelste Natur. Das ist aussergewöhnlich für solch eine Limousine – und es ist wunderbar. Handschmeichler. Augenweide. Wir möchten aber trotzdem nicht wissen, wie es dann ist, wenn ein Malheur geschieht, eine Cola ausleert, Schokolade vergessen geht.

Und dann eben dieses Fahren. Nein, man merkt eigentlich nicht, dass man mit über 2,7 Tonnen Leergewicht unterwegs ist. Absolut mühelos zieht der Strom den i7 voran, sehr heftig, wenn gewünscht (und ja, das komische Geräusch dabei lässt sich auch ausschalten). Und wunderbar ruhig, das Fahrzeug wirkt völlig unangestrengt, ganz egal, ob man nun friedlich einhergleitet oder die Elektronen zum Rock’n’Roll bittet. Mit den entsprechenden Einstellungen bei den Fahrmodi geht das auch sehr flott durch die Kurven, auch durch enge, die elektromechanische Lenkung mit lenkwinkelabhängiger Übersetzung gibt wirklich gute Rückmeldung. Nein, wir würden den i7 nicht als agil bezeichnen wollen, da wäre er wahrscheinlich sogar beleidigt, aber wir waren positiv überrascht, wie handlich er wirkt. Es ist schön, dass es noch Hersteller gibt, die auch bei ihren E-Fahrzeugen Mühe und Können auf das Fahrwerk verwenden. Das kennen wir auch anders.

Deshalb wollen wir darauf noch ein paar Worte verwenden. Vorn gibt es eine Doppelquerlenker-Vorderachse sowie ein Aluminium-Schubfeld zur Erhöhung der Torsionssteifigkeit, hinten eine Fünflenker-Achse. Wie in allen 7ern ist die adaptive Zweiachs-Luftfederung mit automatischer Niveauregulierung und elektronisch geregelten Dämpfern Serie. Die radindividuelle Luftfederung sorgt für die optimale Fahrzeughöhe bei jeder Geschwindigkeit, im Sport-Modus wird die Karosse um 10 Millimeter abgesenkt, ab 120 km/h in allen anderen Modi zur Verbesserung der Aerodynamik ebenfalls. Die Stossdämpfer, schliesslich passen sich adaptiv der Fahrbahnbeschaffenheit und dem Fahrstil an, Zug- und Druckstufe variieren stufenlos und unabhängig voneinander. Wie geschrieben: Fahrwerk.

Nur gegen Aufpreis gibt es die Allradlenkung. Und eine Wankstabilisierung. Und 22-Zöller. Dafür ist ansonsten ganz viel Elektronik serienmässig, wir konnten nicht alles ausprobieren, deshalb wollen wir die einzelnen Gimmicks hier auch nicht aufzählen. Nur so viel: es sind viele. Das darf man auch erwarten, denn so ein i7 kostet ab 135’900 Euro (Schweiz: 169’900 Franken – mit allerdings auch höherer Serienausstattung). Ja, das ist viel Geld. Aber: man muss ja nicht. Mit seiner Grösse (und seinem Design) ist der BMW i7 sowieso mehr etwas für China und die USA.

Mehr BMW und andere spannende Fahrzeuge haben wir in unserem Archiv.

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