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Ferrari 250 GT «Interim»

Zwischenspiel

Es müssen herrliche Jahre gewesen sein im Maranello, Ende der 50er Jahre. Die wirtschaftliche Situation von Ferrari war gut, der «Commendatore» guter Laune, denn auf der Rennstrecke lief es auch nicht schlecht. Und es war jede Menge Talent versammelt in der Emilia Romangna, nicht nur unter den Rennfahrern, sondern ganz besonders in den technischen Abteilungen. Es waren die Namen, welche die italienische Auto-Industrie in den nächsten Jahrzehnten prägen würden, allen voran Giotto Bizzarrini, geboren 1924 in Livorno, sein congenialer Partner Carlo Chiti, geboren 1924 in Pistoia, die beide 1957 von Alfa Romeo zu Ferrari gekommen waren, aber auch, ab 1960 dann, Mauro Forghieri, geboren 1935 in Modena. Von dieser Truppe werden wir dann auch später noch lesen, bei der 250 GT SWB Berlinetta und vor allem beim 250 GTO, doch ihre Sporen verdienten sich Bizzarrini und Chiti zuerst einmal bei einem anderen Wagen ab.

Der 250 GT war in die Jahre gekommen. Zwar verkaufte er sich besser denn je, damals, so 1958, 1959, er war immer noch ein ausgezeichnetes Gerät für den ambitionierten Sportfahrer, der am Freitagabend mit seinem Ferrari auf den Rennplatz fuhr, dort am Samstag Nummern auf sein Gefährt klebte, am Sonntag einen Pokal holte – und am Montag mit dem gleichen Auto wieder zur Arbeit fuhr. Doch Enzo Ferrari und sein Verkaufsdirektor Girolamo Gardini wussten, dass die Zeit des wunderbaren Gran Turismo um war – es musste etwas Neues, Besseres her. Und da war die Truppe um Bizzarrini und Chiti, die jungen Wilden, selbstverständlich perfekt. Und ausserdem war da noch: Pininfarina.

Wann genau die Arbeiten am 250 GT mit kurzem Radstand begonnen haben, für den Bizzarrini und Chiti verantwortlich zeichneten, ist unklar. Aber es dürften schon Ende 1957 erste Versuchsfahrzeuge entstanden sein mit den nur 2,4 anstatt 2,6 Metern Radstand. Und nein, selbstverständlich war es nicht so, dass Bizzarrini einfach 20 Zentimeter zwischen den Rädern heraussägte (obwohl, es wäre ihm durchaus zuzumuten gewesen), da stand weit mehr dahinter. Und wohl schon 1958 war man in Maranello so weit, dass klar war: das neue Auto, der SWB, wird einfach besser. Doch es sollte kein Schnellschuss sein – und auch Pininfarina sollte genügend Zeit erhalten, das perfekte Kleid für das neue Fahrzeug zu zeichnen. Was dann aber aus Turin kam, muss die Herren in Maranello derart überzeugt haben, dass sie das neue Kleid auch noch auf den langen Radstand montierten (man darf davon ausgehen, dass Pininfarina die ersten Entwürfe auch so gedacht hatte).

Und so entstand ein Fahrzeug, das heute bekannt ist als «Interim»: zwar langer Radstand, aber scharfer Motor, das Pininfarina-Design, das die 250 GT Berlinetta SWB – «il corto» – so berühmt machen sollte, komplett aus Alu. Der erste Wagen, #1377GT, entstand bei Pininfarina, hatte den damals stärksten Motor (also: 128DF), und wurde im Mai 1959 nach Venezuela ausgeliefert (man weiss leider nicht, wo sich das Fahrzeug heute befindet). Es folgte #1461GT Mitte Juni, wie alle anderen sechs «Interim» bei Scaglietti gebaut, mit dem Pilette/Arents einen hervorragenden 4. Rang bei den 24 Stunden von Le Mans schafften – im Gesamtklassement. Dieser Wagen hatte später einen bösen Unfall und wurde von Ferrari neu aufgebaut.

#1465GT kam dann Anfang September 59 (und schaffte erst bei «historic races» so etwas wie einen Palmares), #1509GT entstand ebenfalls im Septmeber 59 und war mit Jo Schlesser (1959) sowie den Schweizern Edgar Berney (1960), Richard Huber (1962) und Balz Aschwanden (1962) einigermassen erfolgreich, #1519GT, ebenfalls noch im September ausgeliefert, wurde in den Händen des Schweizer Jean-Pierre Schild 1959 bei der «Tour de France» glänzender Dritter (und 2015 von Bonham’s für 8,525 Millionen Dollar versteigert – alle Bilder hier stammen von diesem Fahrzeug).

Nur mit einem 128D ausgeliefert wurde #1521GT, es reichte trotzdem zum 7. Rang bei der «Tour de France» 1959 – und mit Pierre Dumay und Fernand Tavano am Steuer zu vielen erstklassigen Platzierungen im Jahr 1960; der Wagen erlangte aber auch traurige Berühmtheit, weil sein damaliger Besitzer 1966 bei einem schweren Unfall mit #1521GT verstarb (das Fahrzeug kam später in die sagenhafte Sammlung von Lorenzo Zambrano). Und schliesslich war da noch #1523GT, mit Gendebien/Bianchi Sieger der «Tour de France» 1959, 1961 aber bei einem Unfall in Spa komplett zerstört (und deshalb eigentlich – abgeschrieben…).

Wie man sieht: ein ausgezeichnetes Renngerät, dieser «Interim». Und weil seine Geschichte einigermassen überblickbar sowie der Verbleib der meisten Fahrzeug auch klar ist, sind diese 250 GT bei den Sammlern – und vor allem den wahren Liebhabern, also jenen Menschen, welche die Fahrzeuge auch standesgemäss bewegen – sehr beliebt. Die 8,5 Millionen für #1519GT sind allerdings schon ein heftiger Preis, denn es ist ja eben: kein SWB.

Mehr Ferrari haben wir in unserem Archiv.

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