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Giorgetto Giugiaro – einer der Grössten

Die Anfänge und der Manta

Giorgetto Giugiaro, geboren am 7. August 1938, besass schon immer ein aussergewöhnliches (Zeichen-)Talent. Er war erst 17, als der technische Direktor von Fiat, der geniale Dante Giacosa, den jungen Mann entdeckte und ihm sofort einen Job verschaffte. Und schon im Dezember 1959 machte Nuccio Bertone den damals 21-Jährigen zum Leiter des «Bertone Styling Center». Mit 24 entwarf er das Simca 1000 Coupé, sein erstes Serien-Auto sollten die Coupé-Varianten des Alfa Romeo 2000/2600 werden. Die Jahre bei Bertone waren sicher wichtig für Giugiaro, er lernte viel und schnell. Und er entwarf für Bertone ewige Meisterwerke, den Aston Martin DB4 GT Jet Concept, den Ferrari 250 GT Concept, das Chevrolet Corvair Testudo Concept – und auf keinen Fall wollen wir den Fiat 850 Spider vergessen. Und auch nicht den Canguro für Alfa Romeo.

Im November 1965 wechselte Giugiaro zu Ghia, war dort wieder äusserst produktiv, schon 1966 konnte er seinem Portfolio den Maserati Ghibli und den DeTomaso Mangusta hinzufügen. Und weil er zwar mehr ein Künstler als ein Designer ist, blieb er trotzdem sehr bodenständig, war sich auch nicht zu schade, für die damals noch aufstrebenden Japaner von Isuzu das 117 Coupé zu zeichnen. Doch das Leben bei Ghia war gleichzeitig schwierig, es ging ab Mitte der 60er Jahre eher bergab, zuerst starb Luigi Segre 1963 nach einer Blinddarmoperation, dann übernahm Ramfis Trujillo, Sohn des ehemaligen Diktators der Dominikanischen Republik, 1966 das Zepter – und 1967 dann Alejandro de Tomaso. Da hatte sich Giorgetto Giugiaro aber schon ein erstes Mal selbständig gemacht: Am 7. Februar 1967 gründete er seine eigene Firma, Ital Styling. Er blieb Ghia verbunden, arbeitete weiterhin als freiberuflicher Designer – und vor allem an seinen Plänen für sein eigenes Unternehmen. Am 13. Februar 1968 wurde Ital Styling in Studi Italiani Realizzazione Prototipi S.p.A. (SIRP) umbenannt. Neben Giugiaro war auch die Familie Mantovani beteiligt, noch 1968 entstand aus SIRP Italdesign.

40 Tage, heisst es. 40 Tage habe sich Giugiaro selber gegeben, um sein erstes «eigenes» Fahrzeug für Italdesign zu bauen. Er und sein kleines Team bei Italdesign schafften es – und es wurde ein grosser Wurf, ein wichtiges Automobil für die Geschichte. Die Basis war selbstverständlich ideal, ein Bizzarrini P538, also ein leichter Rennwagen – und Giugiaro spannte darüber eine Karrosserie, wie man sie vorher noch nie gesehen hatte, eine Art Halbmond aus gefaltetem Papier mit einem Kamm-Heck. Eines der allerersten Unibox-Design. Doch nicht nur die äussere Form war spannend, auch innen ging Giugiaro neue Wege: der Fahrer sass zentral in der Mitte, zwei Passagiere leicht nach hinten versetzt links und rechts neben ihm. Die Dimensionen des Bizzarrini Manta sind auch heutiger Sicht erstaunlich: der Wagen ist 4,13 Meter lang, aber stolze 1,86 Meter breit und nur gerade 1,05 Meter hoch.

Erstmals ausgestellt wurde der Manta auf der Motor Show in Turin Ende Oktober 1968. Lackiert war er in einem hellen Grün mit orangen Akzenten – womit er noch mehr Aufmerksamkeit erregte. Später wurde der Wagen rot und auch noch silbern, er wurde in Japan und auch in den USA einem staunenden Publikum vorgeführt: Italdesign hatte sich innert kürzester Zeit auf der ganzen Welt einen guten Namen machen können.

radical: 

Herr Giugiaro, wie, wann und vor allem warum sind Sie auf die Idee gekommen, Italdesign zu gründen?


Giorgetto Giugiaro: Ehrgeiz und der Wunsch, immer neue Dinge zu schaffen. Neue Herausforderungen und neue Ziele zu erreichen. Ich habe bei Fiat angefangen, dann bei Bertone und Ghia. Im Februar 1968, als ich beschloss, meinen persönlichen Weg in der Welt des Automobildesigns einzuschlagen, gründete ich zusammen mit Aldo Mantovani das S.I.R.P. (Studio Italiano Realizzazione Prototipi). Innerhalb weniger Wochen wurde der Name in Ital Design geändert; wir wollten von Anfang an internationale Horizonte und Ambitionen haben. So begann meine unternehmerische Laufbahn. 


radical: Warum haben Sie ein Bizzarrini-Fahrgestell gewählt?


Giugiaro: Ich habe das Bizzarrini-Chassis gewählt, weil ich Kontakte zu Giotto hatte. Wir hatten zusammen an einigen Modellen gearbeitet, als ich bei Bertone war, und es erschien mir logisch, auf diese Weise zu beginnen.



radical: Was haben Sie von Bizzarrini bekommen? Ein komplettes Chassis mit Motor? Wenn ja: Welche Seriennummer könnte es gehabt haben? Es gibt einige Unklarheiten über alle 3 (oder 4) P538.


Giugiaro: Wenn ich mich richtig erinnere (es ist schon ein paar Jahre her… lacht), müsste es die 003 sein. Ich erinnere mich, dass es ein Gebrauchtwagen war, nicht neu. Er kam aus der Welt des Rennsports.



radical: Wie war die Zusammenarbeit mit Giotto Bizzarrini?


Giugiaro: Ich lernte Giotto Bizzarrini 1960 kennen, als ich als Designer bei der Carrozzeria Bertone tätig war und er mit der Gestaltung des kleinen Ferrari beauftragt wurde, der später «Ferrarina» genannt wurde und aus dem dann der Asa 1000 hervorging. Giotto war ein absolut genialer Ingenieur, extrem fleissigin der Entwicklung, sehr praktisch, sehr entschlossen und schnell in seinen Entscheidungen. Giotto war ein dynamischer Mensch, der sich auf fortschrittliche Aspekte konzentrierte und sich nicht scheute, Risiken einzugehen.



radical: Der Manta war ein völlig neues Design – was war Ihre Inspiration?

Giugiaro: Es war ein Prototyp, der seiner Zeit in vielerlei Hinsicht voraus war. Zum ersten Mal sass der Fahrer in der Mitte des Fahrzeugs, während die beiden Passagiere auf beiden Seiten sassen. Das schlanke und aerodynamische Design, die geringe Höhe der Kabine und die daraus resultierende sehr niedrige Fahrposition haben uns zu einer innovativen Lösung veranlasst. Wir fügten eine von innen verstellbare Jalousie hinzu. Dieser kann der Fahrer öffnen, um die Sicht bei niedrigen Geschwindigkeiten und bei Manövern zu verbessern. Und sie bei hohen Geschwindigkeiten schliessen, um die Aerodynamik nicht zu beeinträchtigen. Ich habe den Namen «Manta» gewählt, weil mich das Auto von oben betrachtet an einen riesigen Rochen erinnert hat.



radical: Erinnern Sie sich an die Reaktionen des Publikums, als Sie das Auto zum ersten Mal vorstellten?

Giugiaro: Er wurde sehr gelobt, obwohl die Farbe, ein Verde Acqua (Aquagrün), für die damalige Zeit vielleicht zu gewagt war. Aber der Erfolg war offensichtlich, so sehr, dass der Wagen gleich nach dem Turiner Autosalon auf eine Welttournee ging, die ihn zunächst nach Tokio und dann nach Los Angeles führte. Das amerikanische Abenteuer hat seine Geschichte unweigerlich geprägt, und er verschwand für einige Jahre von der Bildfläche.



radical: Was denken Sie, wenn Sie den Manta heute sehen? Sind Sie stolz auf das Auto?

Giugiaro: Wenn ich mir die Autos ansehe, die ich in der Vergangenheit entworfen habe, fallen mir meist zuerst die Fehler auf oder die Dinge, die ich hätte besser machen können. Der Manta bleibt für die damalige Zeit ein echter Forschungsprototyp mit Designlinien und Ideen, die den Rahmen sprengen. Aber ich bin es gewohnt, immer nach vorne zu schauen. Jetzt führt mein Sohn Fabrizio das Familienunternehmen GFG Style weiter. Ich arbeite als «Berater» für ihn. Fabrizio entwirft den neuen Bizzarrini Giotto; die Geschichte geht weiter.

Die Geschichte ging dann zuerst einmal bei Italdesign weiter. Und wie! Es ist müssig und irgendwie unmöglich, alle Giugiaro-Entwürfe für Italdesign auflisten zu wollen, der Mann war nicht nur kreativ, er war auch ausserordentlich fleissig. Zu seinen berühmtesten Konzept-Fahrzeugen gehören die Alfa Romeo Iguana (1969) und Caimano (1971), die BMW-Nazca-Konzepte (ab 1991), das Hyundai Pony Coupé (1974), der Maserati Boomerang (1972) und der Maserati Kubang (2003), Lamborghini Calà (1995). Doch noch entscheidender sind natürlich all die Serien-Fahrzeuge, an deren Entwicklung Giugiaro beteiligt war, Alfasud (1971, sehr, sehr wichtig), Alfetta GT (1974), Audi 80 (1978), DMC DeLorean (1981), Fiat Panda (1980, ein Meisterwerk!) und Uno und Punto, Lancia Delta (1979), Lotus Esprit (1972), ganz viele Maserati, Renault 19 und 21, Saab 9000 (1984), ganz viele Seat ab dem Ibiza (1984) – und dann natürlich die VW Golf und Scirocco (beide 1974). 2010 übernahm Audi Italdesign, man wollte sich die Dienste von Giorgetto und seinem Sohn Fabrizio auf ewig sichern. Doch 2015 machten sich Vater und Sohn mit der Firma GFG Progetti wieder selbständig.

Es ist dies ein (erweiterter) Text aus radical #2, der Print-Ausgabe. Alle Stories dazu gibt es hier, also auch mehr zum Bizzarrini Manta.

2 Kommentare

  1. hans leitner hans leitner

    Das goldene Zeitalter der Träume und Ideen!

    im Jahr 2024 hirnlose Mülltonnen mit betreutem
    Denken, die den toten Passagier, der ganz hingerissen
    ist vom Arschloch Musk, wie toll es sei, nun fern gelenkt
    in den Graben zu fahren..

    30 % der Menschen hirntot
    30 unterbelichtet
    die restlichen 40 wundern sich über ihren Verstand.

    Motto für 2025 GANGSTER DUMM LÜGEN VERDREHEN..

    DANKE DASS SIE EINER DER LETZTEN SIND DIE DAS NOCH TUN WAS SIE
    MIT LEIDENSCHAFT MACHEN..

    once upon a time, when dreams and humans are one..

    LG HANS

  2. Matthias Matthias

    Aua Hans, dein Kommentar ist harte Kost an der Grenze zum Vulgären. Aber leider stimmt die Tendenz deiner Aussagen. Und das macht auch dann noch nachdenklich, wenn dein kerniger Jargon längst verhallt ist…

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