Die Ikone
Es gibt Automobile, die sind einfach schöner als, nehmen wir doch ein aktuelles Beispiel: ein BMW X6. Einverstanden – das ist jetzt nicht besonders schwierig. Jedes Automobil ist schöner als der BMW X6, selbst ein SsangYong Rodius. Aber dann gibt es auch Automobile, die sind wirklich schön. Klassiker. Manche sind gar Ikonen. Und oberhalb der Ikonen gibt es dann noch eine Kategorie, dort ist die Luft dann sehr, sehr dünn. Da darf eine DS von Citroën noch mittun, der Miura von Lamborghini, einige Maserati, so mancher Alfa Romeo, ein paar wenige Ferrari. Und der BMW 328.
Bei den Ferrari kennen wir den Designer immer, beim Miura war es Marcello Gandini, bei der DS Flaminio Bertoni. Und beim BMW 328? Es gibt Quellen, die nennen einen gewissen Peter Szymanowski als Designer. Es ist durchaus möglich, dass es dieser Mann war, 1902 geboren, von Horch zu BMW gekommen und nach dem 2. Weltkrieg Designchef von BMW, der die wunderbaren Linien gezeichnet hatte. Aber die Beweise fehlen, und deshalb seien zwei Namen genannt als Väter des 328, die ausser Insidern auch niemand kennt: Rudolf Schleicher und Fritz Fiedler.
Wir wissen auch nach intensiver Suche nicht, was BMW damals bewogen hatte, den 328 zu bauen. Wahrscheinlich ging es ganz einfach: um Rennsport. Mitte der 30er-Jahre gab es im BMW-Programm den 319, der von einem 45 PS starken 1,9-Liter-Reihen-Sechszylinder angetrieben wurde. Davon gab es auch noch eine sportliche Variante: den 319/1, der 55 PS stark war. Eine Stufe höher war der 326 angesiedelt, dessen 2-Liter-Reihen-Sechszylinder 50 PS schaffte. Schleicher und Fiedler hatten also eine Basis, den 319/1, und sie hatten einen Motor, eben jenen 2-Liter aus dem 326, und sie bauten rundherum ein Fahrzeug, das nicht nur ein Renn-, sondern auch ein Tourenwagen sein musste. Doch Schleicher/Fiedler dachten zuerst einmal an den Rennsport. Schleicher, der Motorenspezialist, spendierte dem Grauguss-Reihen-Sechser einen neuen Alu-Zylinderkopf, einen Dreifachvergaser und in V-Form angeordnete Ventile; die Verdichtung wurde von 6:1 auf 7,5:1 erhöht. Aus den 50 PS des 326 wurden 80 PS bei 4500/min; es könnten aber 90 PS bei 5000/min gewesen sein.
Und dann war da noch der Leichtbau. Der 326 wog etwa 1,1 Tonnen. Der 328 kam dann aber auf 780 Kilo, so wenig, wie auch der deutlich kleinere 319/1 auf die Waage brachte. Das ist heute ein bekanntes Muster, einen stärkeren Motor in einen kleineren Wagen einzubauen. Doch Mitte der 30er-Jahre war dieses Vorgehen noch neu. Am 14. Juni trat der neue BMW 328 zum ersten Mal an – beim Eiffelrennen auf den Nürburgring vor etwa 250’000 Zuschauern. Am Steuer sass der damals schon legendäre Ernst Jakob Henne, der auf BMW-Motorrädern alle möglichen Weltrekorde gebrochen hatte. Der 328 durfte in der 2-Liter-Klasse mittun, gegen sechs andere Konkurrenten. Davon waren vier BMW 319/1. Natürlich gewann Henne. Er liess auch noch ein paar kompressor-befeuerte Sportwagen hinter sich, und die Fachpresse war begeistert.
BMW war vor 1936 nicht unbedingt durch sportliche Modelle aufgefallen. Doch die Geschichte der «Bayerische Motoren Werke» war auch etwas verworren. Als offizielles Gründungsdatum gilt der 7. März 1916, mitten im 1. Weltkrieg. Ab 1923 hatten die Münchner zwar auch mit Erfolg Motorräder (die berühmte R 32, die in nur fünf Wochen entstanden sein soll) gebaut, doch der Fokus lag in den 20er- und 30er-Jahren vor allem auf dem Bau von Flugmotoren. 1928 hatte BMW die Fahrzeugfabrik Eisenach übernommen – und kam so zum Automobil, dem berühmten Dixi. Die erste eigene Autokonstruktion war der vom Dixi, der ein Lizenz-Bau des englischen Austin Seven war, abgeleitete AM1 (1932). Es folgte 1933 der 303 mit dem ersten Sechszylinder (und nur 1,2 Liter Hubraum). Auch der 328 wurde in Eisenach konstruiert und gebaut, was BMW heute kaum mehr erwähnen mag. Das erste in München gebaute Automobil von BMW war der 501, ab 1952. Den vertieften Blick auf den Flugzeugmotorenbau von BMW nach der Machtergreifung Hitlers wollen wir uns hier ersparen.
Es sollte nach dem Sieg von Henne im Juni 1936 bis im April 1937 dauern, bis die ersten Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert wurden. Doch dann ging es ganz schnell. Die Nachrichten von Rennsiegen in ganz Europa erreichten Eisenach. Und BMW liess die Erfahrungen auf der Rennstrecke ständig in die neu gebauten Fahrzeuge einfliessen. So kommt es, dass von den 464 (andere Quellen sprechen von 462, aber wir wollen den offiziellen BMW-Angaben glauben) gebauten BMW 328 nicht viele exakt gleich sind. Die letzten Exemplare, 1940 hergestellt, sollen bis zu 136 PS stark gewesen sein. Schon die 80-PS-Versionen waren gut 160 km/h schnell.
Den grössten Rennsporterfolg erreichte der BMW 328 im Jahre 1940, als Huschke von Hanstein die legendäre «Mille Miglia» gewann. Das Rennen fand nicht auf der kurvigen Originalstrecke von Brescia nach Rom und zurück statt, sondern auf einem Hochgeschwindigkeits-Rundkurs in der Po-Ebene. Auch traten die bekannten italienischen Marken nicht an (man befand sich ja mitten im 2. Weltkrieg). Doch das Fahrzeug, das diesen Sieg schaffte, war und ist eines der schönsten Automobile aller Zeiten: ein Coupé, das BMW beim italienischen Karossier Touring in Auftrag gegeben hatte.
Nach dem 2. Weltkrieg konnte BMW lange Jahre nicht mehr mittun auf den Rennstrecken dieser Welt, da die Fabrik in Eisenach von den Russen übernommen worden war. Doch die 328 machten bis weit in die 50er-Jahre noch Karriere in den Händen von Privatfahrern. Doch noch mehr zum Ruhm beigetragen haben die diversen Umbauten und Weiterentwicklungen, die sich beim BMW 328 bedienten. Etwa der Veritas, AFM und EMV (die aus den BMW-Ruinen entstandenen «Eisenacher Motoren Werke», deren Wagen vom staatseigenen «Rennkollektiv» der DDR eingesetzt wurden). Am längsten währte die Karriere des BMW 328 aber in England, wo die Wagen schon vor dem 2. Weltkrieg unter der Markenbezeichnung Frazer Nash verkauft wurden. Nach dem Krieg sicherte sich Bristol die Produktionsrechte und übernahm zusammen mit den Konstruktionsunterlagen auch gleich noch einen der Väter des 328, Fritz Fiedler. Dieser entwickelte das Fahrzeug und vor allem den Motor beständig weiter, so dass der 2-Liter-Sechszylinder bis Mitte der 50er-Jahre konkurrenzfähig blieb und unter anderem von Cooper, Lotus und Lister im Rennsport eingesetzt wurde.
Wir sind vor vielen, vielen Jahren zuletzt einen 328er gefahren, sogar auf Schweizer Strassen. Das hat richtig Spass gemacht. Im Gegensatz zu anderen Vorkriegsrennwagen lässt sich der Eisenacher nämlich sehr einfach bewegen. Das Getriebe gibt keine Rätsel auf, und so lange man nicht im Stand am riesigen Lenkrad drehen muss, ist auch der Kraftaufwand einigermassen erträglich. Wir erinnern uns, dass wir aus lauter Respekt vor dem wunderschönen, alten Herrn anfangs ziemlich gemächlich um die Ecken schlichen, doch dann, auf der Kantonsstrasse von Bellinzona Richtung Chur, den Bär ein bisschen tanzen liessen. Man muss aber schon wissen, was man tut. Die Bremsen sind trotz geringen Gewichts halt nicht mit modernen Systemen zu vergleichen, und es empfiehlt sich unbedingt, nicht gleich in Panik zu verfallen, wenn man einmal zu flott in eine Kurve fährt. Dann zu bremsen, das wäre fatal. Wobei: Der BMW hatte damals als eines der ersten Fahrzeuge überhaupt die so genannten «Vierrad-Flüssigkeits-Fussbremsen» (so wurden sie im BMW-Verkaufsprospekt bezeichnet), also Trommelbremsen mit hydraulischer Betätigung anstelle der sonst üblichen Seilzugbremsen. Selbstverständlich bewegten wir den 328er weit weg von etwas, was gerne Grenzbereich genannt wird; die quietschenden Reifen bremsen den Piloten sowieso recht früh ein. Und übermässig Platz gibt es in dem 3,9 Meter langen und nur 1,55 Meter breiten Fahrzeug auch nicht. Aber dafür waren wir begeistert vom Durchzug des 2-Liter-Saugers – da geht was, und auch der Sound ist eine Freud‘.
Einst, da waren gute BMW 328 noch für etwa 200’000 Franken zu haben. Sie waren zwar rar, aber es gab immer wieder welche. Dann wurde der Markt sehr, sehr ruhig. Und heute kostet es: mehr. Böse Zungen behaupten, BMW selber habe das eine und auch andere Mal zugegriffen, bevor der Markt spielen konnte, bei der «Bügelfalte», die wir unten zeigen, hiess es bei RM Sotheby’s einst: «Sold for confidential amount». Aber solche Geschichten hört man ja auch zum wunderbaren BMW 507…
Es gibt auch hier, ganz behutsam, eine Sammlung.
Chassis-Nummer: 85065
Auktion: RM Sotheby’s, München 2024, Schätzpreis 550’000 bis 700’000 Euro.
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Chassis-Nummer: 85112 (Cabriolet von Autenrieth)
Auktion: RM Sotheby’s, München 2024, Schätzpreis 350’000 bis 400’000 Euro.
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Chassisnummer: 85144
ausgeliefert: 1. April 1938 an Automag (München)
Auktionen: RM Sotheby’s, Monterey 2022, noch kein Schätzpreis.
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Chassis-Nummer: 85335
Auktion: RM Sotheby’s, Monterey 2023, noch kein Schätzpreis, angeboten mit folgendem Text: «Correspondence with BMW confirms that 85335 was first registered as “IIA-58110.” Having practiced with their new and exclusive trio of 328 Roadsters for several weeks, the NSKK eventually routed 85335 and its two siblings to their competitive debut at The Royal Automobile Club of Italy’s Corsa Sulla Litoranea Libica. Spanning 1,550 kilometers along Libya’s sun-soaked Mediterranean coast between Tobruk and Tripoli on 26 March 1939, this “Mille Miglia Africana” served as the RACI’s Mille Miglia replacement with Alfa Romeo, Lancia, and Fiat all entering their respective works teams. Despite the new venue, the NSKK team remained undaunted in their intention to repeat the two-liter class sweep which they had accomplished in 1938. Chassis 85335 debuted wearing #62 and was driven by HSH Prince Max Schaumburg-Lippe and Ralph Roese. Reaching the finish line in Tripoli that evening, the superbly engineered 328s emerged triumphant once again; Schaumburg-Lippe and Roese had stirred 85335 to 5th overall and 2nd in class. Our car’s next confirmed outing came as part of BMW’s inaugural entry to the 24 Hours of Le Mans on 17 June 1939. The NSKK team had already arrived there by 14 June, with Roese and Paul Heinemann using 85335 throughout practice over the three-day interim. On race day, Roese began the 24 Hours in its traditional, feverish manner—a short footrace from the grandstand berm, across the track, and into the cockpit of his waiting car. Exploding into life, Roese urged 85335 (racing as #27) forward into the quivering, dramatic crush of men and cars on their initial sojourn to Dunlop Curve. Not a single drop of rain spoiled Le Mans that year, and so overall speeds remained exceptionally high. By 4 AM, Roese and Heinemann had worked their way up to 10th overall thanks to the 328’s excellent efficiency. After the race’s 21st hour they had reached 7th overall, in which they would remain for the final three hours—thereby securing a fantastic 2nd-in-class finish only nine laps down from the race’s overall winner. Chassis 85335 had secured BMW another full podium sweep of the 2.0-liter category, while 1939 marked the company’s final appearance at Le Mans until 1972, and their most successful finish until 1999. The Special Competition Roadsters made their final competitive outing at Belgrade’s Kalemegdan Park road course on 3 September. Though the race received little coverage on account of Germany’s ongoing invasion of Poland, BMW has confirmed that Roese indeed drove 85335 (race #44) to finish 2nd overall—a last flash of greatness before its descent into obscurity.
After the Belgrade Grand Prix, 85335 remained missing decades after its two siblings had been located and acquired by important collectors. Widely presumed to have been scrapped, 85335 was merely hiding in plain sight. By May 1963, it had somehow entered the possession Carl Reitzel in Newark, New Jersey, and from there passed to the Ferrari dealer and collector James P. McAllister of Port Jefferson, New York in August 1966. Though it had been made to resemble a normal 328 road car and its distinctive body features had been obscured, 85335 was fortunately accompanied by several boxes of original pre-war competition spares. During the 1980s it was passed by descent to Jeffrey McAllister, who had it restored for use as a competitive vintage racing entry. McAllister exhibited 85335 sparingly in regional concours and vintage races over the next two decades, and during this time several notable marque enthusiasts approached him with tales of its remarkable pre-war life. Research undertaken in cooperation with BMW and marque experts culminated in a successful inspection by Klaus Kutscher, then BMW’s in-house 328 restoration expert, which verified 85335’s incredible provenance and extant evidence of its original specifications. The consignor purchased the car from the McAllister family in October 2017 and promptly submitted it to D.L. George Historic Motorcars in Cochranville, Pennsylvania (who had previously restored 85337, to great acclaim). George’s charge was simple: to return the car to the closest possible execution of its original “as-raced in 1939” configuration. Invoices on file from 2018 to 2022, which total more than seven figures, attest that neither time nor cost were limiting factors to this endeavor. The merit of 85355’s fantastic restoration was immediately substantiated at its debut outing, when it scored 3rd place in the ultra-competitive Early Le Mans class at the 2022 Pebble Beach Concours d’Elegance. This 1938 328 Special Competition Roadster is irrefutably one of the most significant BMW competition cars ever offered at auction».
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Viel mehr BMW haben wir nicht. Aber es lohnt sich trotzdem ein Blick in unser Archiv.
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