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Ferrari 250 Testa Rossa

Das Monument

Es gibt so Modelle bei Ferrari, an deren Geschichte kann man sich eigentlich nur die Finger verbrennen. Dazu gehören auf jeden Fall die 250 TR, Testa Rossa, mehr noch als die 250 GTO die Quintessenz der frühen Ferrari-Geschichte, 3-Liter-V12 von Colombo, Le-Mans-Sieger, alles, was das Herz begehrt. Aber eben: Es ist kompliziert, sehr sogar. Man muss eigentlich jedes Fahrzeug einzeln betrachten, die Entwicklungen, Umbauten, Umwege sind derart vielfältig, dass so ziemlich jedes Exemplar eine eigene Geschichte wert wäre. Oder ein ganzes Buch. Selbstverständlich nehmen wir uns der Sache an.

Denn selbstverständlich gab es wieder einmal eine Reglementsänderung, ab 1958 war bei der Sportwagen-Weltmeisterschaft und auch den 24 Stunden von Le Mans der Hubraum auf 3 Liter begrenzt. Dies war auch eine Antwort darauf, dass Ferrari und Maserati sich 1957 eine Leistungsschlacht geliefert hatten, die zu kaum mehr beherrschenden Fahrzeugen geführt hatte, der Ferrari 335S kam auf 390 PS, der Maserati 450S wahrscheinlich auf deutlich über 400 PS. Ferrari, wie Porsche bestens, also frühzeitig informiert über solche Reglementsänderungen, konnte schon Mitte 1957 mit dem neuen 250 TR bei ersten Rennen antreten.

Das hatte verschiedene Gründe. 1957 hatte Carlo Chiti die Leitung der Konstruktionsabteilung bei Ferrari übernommen, als Nachfolger des nur beratend tätigen Vittorio Jano, der wiederum Aurelio Lampredi zu Fiat vertrieben hatte. Chiti hatte einen ganz anderen Charakter als seine beiden Vorgänger, er war nicht der stille Ingenieur, der sich in seinem Kämmerchen einschloss, sondern sich seiner Fähigkeiten durchaus bewusst; er scheute auch die Konfrontation mit Enzo Ferrari nicht. Und er war auch sehr experimentierfreudig, dies im Gegensatz zum «Commendatore», der bei seinen Renn-Fahrzeuge auf höchstmögliche Zuverlässigkeit pochte; der Erfolg gab ihm da ja auch recht. Chiti hätte gerne einen Mittelmotor-Sportwagen konstruiert, wurde dabei auch vom ebenfalls frisch zu Ferrari gestossenen Giotto Bizzarrini unterstützt, doch Enzo Ferrari lehnte diese Idee schlicht und einfach ab.

Die Lösung war dann denkbar einfach: Man baute einen 3-Liter-Colombo-V12 in das bestehende Chassis des Ferrari 500 TR/TRC ein. Doch hier muss gleich einen ersten Zwischenstop einbauen: Der erste Prototyp, #0666TR, basierte noch auf dem Chassis eines 290 MM. Im Vergleich zum Vierzylinder-Testa-Rossa wurde der Radstand aber um 10 Zentimeter auf 2,35 Meter verlängert. Hinten wird es dann komplizierter: Sämtliche Kundenfahrzeuge verfügten hinten über eine Starrachse. Die frühen Werksfahrzeuge erhielten zuerst eine DeDion-Achse, später auch hinten eine Einzelradaufhängung. Die fahrzeuge mit Jahrgang 1957 und 1958 hatten noch Trommelbremsen, ab 1959 erhielten die Rotkäppchen dann endlich auch Scheibenbremsen.

Dann der Colombo-V12, der seine Karriere 1947 als 1,5-Liter begonnen hatte, 1952 im 250 S nach einer Kur von Aurelio Lampredi erstmals über 3 Liter Hubraum verfügt hatte (Bohrung x Hub 73 x 58,8 mm). Für die ersten 250 TR wurden Blöcke aus dem Jahr 1953 verwendet, die Chiti in die Kur nahm, ihnen unter anderen gleich sechs Weber-Doppelvergaser (38 DCN) verpasste, überhaupt alles machte für mehr Zuverlässigkeit. Die Maschine, als Tipo 128 bezeichnet, kam auf 300 PS bei 7000/min, erstmals schaffte ein Ferrari eine Literleistung von 100 PS. Geschaltet wurde bei den ersten Testa Rossa zuerst über ein 4-Gang-Getriebe, ab 1959 waren es dann fünf Gänge. Und hier gibt es wieder einen Unterschied zwischen den Werks- und den Kunden-Fahrzeugen: Für die Scuderia gab es eine Transaxle-Konstruktion, bei den Kundenautos war das Getriebe direkt hinter den Motor angeflanscht.

Der Prototyp des Ferrari 250 TR, #0666TR (Bild oben, in seiner ursprünglichen Form), debütierte am 26. Mai 1957 bei den 1000 Kilometern auf dem Nürburgring in den Händen von Masten Gregory und Olindo Morolli. Es war ein unauffälliger Anfang, der Testa Rossa kam auf den 10. Gesamtrang. Bei den 24 Stunden von Le Mans schaffte es #0666TR nach einem Motorenschaden im Trainig gar nicht erst an den Start, beim Rennen im schwedischen Kristanstad kamen Gendebien/Trintignant nicht ins Ziel. Dann kam das Fahrzeug zurück ins Werk und erhielt von Scaglietti einen neuen Aufbau (Bilder unten).

Ende 1957 fuhren von Trips/Seidel den Ferrari bei den 1000 Kilometern von Caracas auf den dritten Rang, Anfang 1958 schafften es Hawthorn/von Trips/Musso/Gendebien bei 1000 Kilometern von Buenos Aires gar auf den zweiten Platz. Nach einem Ausfall bei der Targa Florio wurde der Ferrari an Luigi Chinetti verkauft, der ihn im Juni 1958 mit Guerney/Kessler bei den 24 Stunden von Le Mans einsetzte (dnf). Danach wurde #0666TR bei Scaglietti wieder neu eingekleidet (Bilder unten). Der weitere Verlauf der Geschichte ist dann wild: Rod Carveth kaufte den nicht mehr taufrischen Testa Rossa im März 1959, kam bei keinem Rennen ins Ziel, frischte das Fahrzeug mit Teilen von #0760TR auf, bewegte ihn danach mit mässigem Erfolg bis 1962 auf den Rennstrecken. Der Prototyp hatte dann mehrere amerikanische Besitzer, der Motor wurde an Pete Lovely verkauft, irgendwann in den 60er Jahren wurde er angezündet, wohl, um Versicherungsgelder zu kassieren – und kam im September zu Charles Betz und Fred Peters, wie noch so manch ein ausgelutschter Ferrari in jenen Jahren. Das war jeweils ein Glücksfall, denn Betzt/Peters hatten Geld und Geduld, erforschten die Geschichte, liessen das Fahrzeug komplett neu aufbauen, dabei wurde auch der Motor aus einem anderen Testa Rossa montiert (#0724TR). 2002 kaufte Jon Shirley #0666TR, konnte auch den originalen Motor von Pete Lovely erwerben, liess den Ferrari auf seine 58er-Le-Mans-Konfiguration zurückbauen – und verkaufte ihn 2011 über Gooding & Co. für 16,39 Millionen Dollar an den Mexikaner Carlos Hank Rhon.

Chassis-Nummer: 0704TR

Der zweite Prototyp wurde im Juni 1957 fertig, direkt nach Le Mans verfrachtet, wo Gendebien/Trintignant doch immerhin 109 Runden weit kamen, als sie ein Motorschaden zum Aufgeben zwang. Zurück im Werk erhielt #0704TR einen auf 3,1 Liter Hubraum aufgebohrten Motor – und holte damit zwei grosse Siege, die 1000 Kilometer von Buenos Aires 1958 mit Hill/Collins sowie bei den 12 Stunden von Sebring, wieder mit Hill/Collins. Danach gab es im Werk eine neue Front sowie ein neues Getriebe, nun hinten eingebaut. Hill/Collins kamen mit #0704TR danach bei der Targa Florio auf den 4. Rang, Hawthorn/Collins wurden Zweite bei den 1000 Kilometern auf dem Nürburgring, fielen dann aber bei den 24 Stunden von Le Mans nach 112 Runden aus; Hawthorn hatte aber immerhin die schnellste Rennrunde gefahren. Danach kaufte John von Neumann den Ferrari, setzte ihn bei diversen Rennen ein, verkaufte ihn 1960 an Dick Hahn, der das Fahrzeug mit Jerry Grant am Steuer bis Mitte 1962 bei unzähligen Rennen einsetzte, um ihn dann an Arthur L. True zu verscherbeln. Als dieser 1967 starb, kam das Fahrzeug ins Henry Ford Museum in Dearborn, es war dies der letzte Wille von True gewesen. Dort stand es 30 Jahre, wurde schliesslich von Abraham «Abba» Kogan gekauft, der es an 2004 an den Engländer Eric Heerema verkaufte, der #0704TR komplett restaurieren liess. Über Tom Hartley und Gooding & Co. wechselte der Ferrari in den folgenden Jahren noch mehrere Male den Besitzer, heute dürfte er sich in den USA befinden. Es handelt sich bei diesem Ferrari um eines der wichtigsten Fahrzeuge der Markengeschichte.

Chassis-Nummer: 0710TR

Am 22. November stellte Enzo Ferrari der Presse in Modena den 250 TR vor (Bilder oben, im Innenhof des Werks in Maranello), beim dort präsentierten Fahrzeug handelte es sich um #0710TR. Unmittelbar danach wurde der Testa Rossa zu John von Neumann nach Kalifornien verschifft, der den Wagen bei mehreren Rennen einsetzte. Im Januar 1958 kam #0710TR zurück ins Werk, wurde repariert, kam dann bei den 12 Stunden von Sebring nicht ins Ziel, gewann danach aber mit von Neumann am Steuer eine unfassbare Zahl an Rennen; ab Mitte 1958 sass oft auch seine Tochter Josie am Lenkrad. Die Renn-Karriere des Ferrari dauerte unter verschiedenen Besitzern noch bis 1964 an, in den 70er Jahren wurde der Motor aufgefrischt mit Komponenten aus #0722TR und #0750TR; erstaunlicherweise wurde das originale Getriebe später in einen «Tour de France» eingebaut (#0897GT). Ab den 80er Jahren befand sich das Fahrzeug in der Simeone Foundation in Philadelphia.

Chassis-Nummer: 0714TR

Der Scaglietti-Spider kam Anfang 1958 zu Piero Drogo (ja, genau dem) nach Venezuela, noch in Weiss, wurde dann 1959 von Alan Connell nach Texas gebracht und schwarz lackiert. Connell erreichte einige gute SCCA-Platzierung, genau wie Charles D. Hayes (ab 1960) und Wayne Burnett (ab 1961 bis 1964). In jenen Jahren wurde auch der Motor aus #0770TR eingebaut, was in den frühen 80er Jahren wieder rückgängig gemacht wurde. Ab 1984 war das Fahrzeug in Japan, 2009 wurde es vom RM Sotheby’s für 9,02 Millionen Dollar versteigert. Das Fahrzeug gehört zur aussergewöhnlichen Sammlung von S. Robson Walton.

Chassis-Nummer: 0716TR

Gleich beim ersten Rennen, den 1000 Kilometer von Buenos Aires Ende Januar 1958, verunfallte der Ferrari schwer (Musso/Gendebien). Der Brasilianer Celso Lara Barberis schusterte den Wagen irgendwie zusammen, bestritt damit weitere Rennen. Nach seinem Tod 1963 kam #0716TR zu einem weiteren Barsilianer, Giorgio Moroni, der bei Piero Drogo einen neuen Aufbau im Stil eines 250 GTO bestellte; zudem wurde der Motor aus einem 250 GT installiert. 1970 kam der Ferrari in die USA, 1978 dann zu Giulio Dubbini nach Italien, der ihn bei Fantuzzi wieder zum TR zurückbauen liess. 2004 fand der Ferrari einen neuen Besitzer in England und wurde bei Neil Twyman komplett restauriert. Dabei wurde ein Ersatz-Motor mit der Bezeichnung GES 14 eingebaut, den die Scuderia anscheinend schon bei verschiedenen anderen 250 TR verwendet hatte. Heute befindet sich #0716TR in den USA.

Chassis-Nummer: 0718TR

Wurde im November 1957 gebaut, kam 1958 in Weiss nach Mexico zu Julio Mariscal, 1959 dann zu John und Eleanor von Neumann nach Kalifornien. Pedro Rodriguez fuhr zwei Rennen damit, kam aber nicht ins Ziel, im August 1959 wurde der Ferrari von Gordon Glyer gekauft, der einige gute Platzierungen schaffte. 1962 wurden Motor und Getriebe an Jack Wilke verkauft, der dafür einen Chevrolet-V8 in den Ferrari installierte. #0718TR ging dann zu mehreren amerikanischen Besitzern, William Chizar baute dann 1981 den Motor #0750TR (dazu gab es kein Fahhrzeug). Bob Baker kaufte den Ferrari 1987, kaufte den originalen Motor von Pete Lovely, verkaufte den Testa Rossa dann an Brandon Wang. Der ihn 1998 an Lawrence Stroll verkaufte. Der ihn dann 2020 an Johann Peter Rupert nach Südafrika verkaufte.

Chassis-Nummer: 0730 TR

Die Karriere dieses Testa Rossa, ursprünglich hell-blau und ausgeliefert an den Amerikaner Edwin D. Martin, begann denkbar unglücklich: Gleich bei ersten Rennen, den 12 Stunden von Sebring 1958, hatte er einen Überschlag. Er kam zurück ins Werk, wurde neu aufgebaut – und Martin konnte in der Folge ein paar Rennen gewinnen in den USA. 1959 probierte es noch einmal in Sebring, zusammen mit Lance Reventlow – und kam auf den 6. Gesamtrang. Martin versuchte es dann auch bei den 24 Stunden von Le Mans, zusammen mit Bill Kimberly, musste aber mit Getriebeschaden aufgeben; danach verkaufte er den Ferrari für 9500 Dollar an Pete Harrison. Der ihn Anfang der 60er Jahre an Spencer Litchie verkaufte, der den Motor an den Besitzer des Testa Rossa #0748 TR verschacherte, selber eine Maschine aus einem 250 GT installierte. In den 80er Jahren kam #0730 TR zu Giuseppe Lucchini nach Brescia.

Chassis-Nummer: 0734 TR

Erster Besitzer von #0734 TR war FrederickH. Gibbs aus New York – der den Ferrari bis 1978 im Besitz hatte, nie ein Rennen fuhr damit. Über Paul Pappalardo kam der Testa Rossa 1985 zum bekannten Schweizer Sammler Albert Obrist, der ihn dann 1993 an Ralph Lauren verkaufte.

Chassis-Nummer: 0738 TR

Dieser Testa Rossa hatte ein wildes Leben. 1958 ging er nach Brasilien zu Jean-Louis Lacerda Soares von der Esquardari Largatixa, der damit ein paar Rennen bestritt, den Ferrari 1959 im Stil eines TR/59 umbauen liess und 1961 an Giorgio Moroni verkaufte. Der liess ihn wohl 1963 bei Drogo im Stil einer 250er-Berlinetta neu einkleiden, verkaufte weiter an Claudio Klabin, von dort ging es zu Paulo Cesar Newlands und noch ein paar weiteren Besitzern in Brasilien. 1985 kam der Ferrari zu Colin Crabbe in England, machte noch dann noch einen Umweg über Amerika, wurde 1989 von Sir Paul Vestey übernommen, der bei DK Engineering die Restauration zurück zum ursprünglichen Testa Rossa verlangte. Ab den 90er Jahren war #0738 TR im Besitz von Carlos Monteverde, der ihn fleissig bei historischen Rennen einsetzte. Seit 2010 dürfte der Ferrari im Besitz von Leslie Wexner sein.

Selbstverständlich kommen dann da noch mehr, also: alle, schauen Sie hin und wieder rein. Eine komplette Übersicht über die frühen Ferrari-Modelle gibt es hier.

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